Freitag, 16. Mai 2014

Tag 50: Wieso ich den Elbst nicht bezwang!

Gestern wurde ich das erste Mal auf meiner Sagenreise doppelt nass. Das Schiff brachte mich nach Treib.

Seliger Blick zum Seelisberg hoch vom Schiff aus
In Treib wurde schon gar schrecklich Ding getrieben: die folgende Sage war immerhin die erste, die mir beim Lesen schon Hühnerhautschauer den Buckel runter jagte! Und zwar gehts um eine echte Horrorgeschichte, den Kindlimord bei Treib.
J.J.Reithard startet die Geschichte wie folgt:
Hart unter'm Seelisberg steht
Ein uralt Wirtshaus, heisst die 'Treib';
Dort sass ein Fischer abends spät
Bei Wein und schlechtem Zeitvertreib
mit andern Worten er versoff und verspielte sein karges Einkommen, während sein Kindchen bleich vor sich hin hungerte, bis es nicht mehr konnte und um Brot bettelte.
Doch der Vater antwortet mit der Faust ins Gesicht und heisst das Mädchen, das Maul zu halten. Er beleidigt das arme Geschöpf aufs Niederträchtigste und spielt weiter -ein wildes Lied singend. Sein Gegenspieler rühmt den Vater für seine Züchtigung und reicht ihm ein Stück Brot, das dieser dem Kinde geben dürfe, wenn es drei Fragen beantworten könne. Nachher nimmt er dem Vater fast alles Geld ab im Spiel. Als dieser jammert, bietet ihm der Gegenspieler an, das Geld gegen des Vaters Seele zurück zu geben. Das Mädchen bettelt seinen Vater an, mit ihm zu kommen, worauf der Vater erneut zuschlägt und noch mehr Prügel androht, wenn es nicht die Gosche halte.
Auf dem Seeweg nach Treib
Wie der Vater keinen Groschen mehr besass, erinnerte ihn der Gegenspieler an die drei Fragen, packte sein Geld und ist blitzartig verschwunden.
Der Fischer packt sein Mädchen und schmeisst es aufs Boot, mit welchem er in den mondbeschienen See sticht. Erneut bettelt das Kind um Brot, doch der herzlose Vater gibt ihm nur Wasser zu trinken und beschimpft es grob. Wie sie am Ufer sind, nimmt er das Brot zu Hand und beginnt zu fragen: 'Was ist linder denn Vogelflaum?' Das Mädchen nennt die Mutterbrust, an der es jeden Kummer vergessen konnte. Der Vater weiter: 'Was ist süsser als Honig?' Die schnelle Antwort: 'Der Mutter Milch!' Der Vater schaut wütend und schäumt: ' Was ist härter als diese Fluh?'
Das Mädchen stammelt, dass es nicht lügen dürfe und nur eines härter sei als Erz, nämlich des Vaters Herz! Dieser verliert die Kontrolle über sich selber vor Wut, packt es und schleudert es an den Felsen, wo der Schädel wie eine Melone zerspringt.
Der Mörder flüchtet über Stock und Stein, ewig getrieben, vom Bösen verfolgt.
An der linken Nase liegt Treib
Erst dreissig Jahre später kam er als Greis wieder nach Treib zurück und setzt sich in die volle Gaststube. Er lauscht einem Kriegsmann, der Geschichten von Moritaten erzählt, bis der Greis zynisch lacht:
'Doch kenn ich eine Übeltat,
Die nie ans Licht der Sonne trat!'
Nun drängen ihn alle zu erzählen, doch er schweigt. Die Leute scharen sich um ihn, der Wirt tritt an ihn heran und erkennt ihn ihm den Kindlimörder wieder. Der entdeckte Mörder will sich auf den Kriegsmann stürzen, der ihn dazu brachte sich zu verraten, doch dessen Ebenbild löst sich in Nebel auf.
Der Alte wurde verhaftet und in Gersau enthauptet.

Das erste Mal nass werde ich beim steilen Aufstieg zum Seelisber, völlig verschwitzt erreiche ich das Restaurant Bahnhof. Hier stärke ich mich mit einem dunklen Hubertus.
Auf dem Weitermarsch werde ich ein zweites Mal nass, diesmal schüttet es aus allen Wolken. Wie ich beim Seelisbergsee vorbei komme, triefe ich so, dass ich darauf verzichte, mich in den See zu stürzen und den Elbst zu bekämpfen.
Könnte auch ein gefährlicher Seelisbergsee sein...
Der Elbst, dieses grässliche Ungeheur lebt seit eh und je im Seelisbergsee. Er kommt blitzschnell aus der Tiefe und jagt Menschen. Er kann verkleidet als moosbewachsener Stamm auftreten, man setzt sich auf ihn und er zieht einen weg. Dann wieder scheint er ein Inselfleck, wer drauf springt, bricht ein und verschwindet auf Nimmerwiedersehn. Den andern Fischen im See macht er den Garaus.
Des nachts flimmern die Uferbüsche im Mondschein trügerisch, wie ein Schlangenring wird der See von bunten Farben umringt. Der Risenfisch, der Wurm, der Elbst, schnaubt, stahlbeschuppte Haut unter goldig leuchtendem Krongeschmeide, die scharfen Krallen plus Flossen! Wie sanft schlafend soll er daliegen, doch trau ihm nicht!
Am Abend bittet darum der schlaue Hirte zur Mutter aller Gnaden, der Elbst möge ihn und die Alp verschonen. Sollte der Hirt den Betrufvvergessen, würde der Elbst zuschlagen, das Vieh erwürgen und mit seinen Krallen aufschlitzen...

Aber eben, es war mir zu nass, ich eilte nach Bauen aufs Schiff.

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